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Forscherteam spürt Gen auf, das für schlanke Gersten-Ähren sorgt

Nummer 143/2020 vom 12. Oktober 2020
Blütenstände von Gräsern haben häufig sehr unterschiedliche Formen. Einem internationalen Forscherteam unter Führung des Leibniz-Instituts für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) sowie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) ist es nun gelungen, ein Gen zu identifizieren, das dabei eine entscheidende Rolle spielt. Es sorgt dafür, dass Gerste die charakteristischen schlanken Ähren ohne größere Verzweigungen ausbildet. Die Ergebnisse wurden heute im Fachmagazin "Nature Communications" veröffentlicht.

 Eine zentrale Rolle bei der Ausprägung des Blütenstandes von Gräsern spielt das "Spikelet Meristem" (SM), also das so genannte Ährchen Meristem. Meristeme sind Pflanzenzellen oder -gewebe, die neue Organe hervorbringen können - in diesem Fall Ährchen. Dafür müssen diese Zellen vorher jedoch die SM-Identität annehmen. Das geschieht unter anderem über Gen-Regulationen. In der Folge können sich die Zellen normalerweise vom Meristem zum Organ entwickeln. Der Prozess verläuft also von der undifferenzierten Pflanzenzelle hin zum differenzierten Organ.

Um Blütenstandsarchitektur bei Gräsern besser zu verstehen, können Mutanten für Genetiker sehr aufschlussreich sein. Die COM1-Ähren-Mutante der Gerste ist nun dahingehend "beschädigt", dass die entsprechenden Zellen nicht das SM-Identitätssignal umsetzen können beziehungsweise dass das Signal nicht korrekt ist. "Letztlich funktioniert die Signalübertragung nicht vollständig, so dass die Zellen nicht ihre richtige Zell-Identität annehmen können", erläutert Dr. Naser Poursarebani, Erst-Autor der Studie und Entdecker des COM1-Gens. Vereinfacht gesprochen weiß die Zelle also nicht, was in dieser Situation zu tun ist. "Die Ährchenbildung entlang der Hauptachse der Gerstenähre, der Spindel, kann also nicht normal ablaufen."

Letztlich entsteht anstelle eines Ährchens eine Art "Verzweigung", die aussieht wie eine kleine Ähre. Aus dem Grund spricht man auch von einer Ähre zweiter Ordnung. "Solche Verzweigungen sind jedoch sehr untypisch für alle ährenbildenden Gräser, sogenannte Triticeen", bekräftigt Prof. Dr. Thorsten Schnurbusch, Leiter der Arbeitsgruppe Pflanzliche Baupläne am IPK, Heisenberg-Professor des IPK und der MLU, der das Forschungsprojekt initiierte.

Normalerweise sorgt COM1 bei Gerste dafür, dass sich Meristemzellen zu einem Ährchen entwickeln können, indem es die Eigenschaften der Zellwände beeinflusst und damit letztendlich auch das Zellwachstum steuert. Der Beitrag von COM1 bei dem hier zugrunde liegenden identitätsstiftenden Signal ist gleichzeitig auch die neu entdeckte Funktion, die so bei anderen Gräsern, zum Beispiel Reis, Mais, Sorghum oder Zwenken (Brachypodium distachyon L.), nicht vorkommt. Damit unterscheidet sich Gerste ganz grundsätzlich von den Gräsern, bei denen das Gen die Bildung von Blütenstandverzweigungen fördert. "COM1 ist aus botanischer Sicht damit in jedem Fall ein wichtiger genetischer Faktor zur Ährenbildung, über die bisher wenig bekannt war", so Schnurbusch weiter.

Gerste gehört zur Familie der Süßgräser und wurde vor rund 10.000 Jahren im Gebiet des Fruchtbaren Halbmondes von der Wildgerste (Hordeum spontaneum) domestiziert. Die Wissenschaftler vermuten, dass die weniger komplexe Architektur des Blütenstandes mit der Ausbreitung der Gerste in Zonen mit gemäßigterem Klima und der Anpassung an kühlere Bedingungen zusammenhängt. Die jetzt gewonnen Erkennisse können zum besseren Verständnis der Ährenentwicklung beitragen und möglicherweise helfen, das Ertragspotenzial von ährenbildenden Gräsern, beispielsweise bei Gerste, Roggen oder Weizen, zu steigern.

Zur Studie: Poursarebani et al. COMPOSITUM 1 contributes to the architectural simplification of barley inflorescence via meristem identity signals. Nature Communications (2020). doi: 10.1038/s41467-020-18890-y

 

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